Eine richtig gute Veranstaltung
Meine Eindrücke vom Munich Fashion Award
Martin Niklas Wieser macht zeitgemäße Mode in jeder Hinsicht. Auf seiner Website wird das so beschrieben: „He breaks cultural codes and makes us question what we see. Designed in Vienna and made in Italy by small manufacturers, he commits to promoting a healthy, human-scale economy by building a transparent supply chain.“ Tina Lutz Morris setzt bei ihren Luxus-Lederwaren auf deutsches Handwerk und nachhaltiges, cleanes Design. Wobei sie, wie beim Panel präzisiert, lieber von Verantwortung als von Nachhaltigkeit spricht. Beide sind die Erstplatzierten beim Munich Fashion Award, der eine in der Kategorie Fashion, die andere in der Kategorie Accessoires. Randnotiz: Martin Niklas Wieser ist Südtiroler.
Derzeit sind Good News ja eher rar in der Slow Fashion Community. Der erste Munich Fashion Award mit neuem Konzept – Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation – und die daran angeschlossene Konferenz konnten der gedämpften Stimmung einiges entgegensetzen. Präsentiert wurden spannende Lösungsansätze und Strategien, die sowohl ästhetisch als auch von der Produktionsweise her überzeugten. Es gibt sie die guten Leute mit guten Ideen und erfolgreichen Umsetzungen!
„Was anziehen?“ zu einer Award Verleihung habe offensichtlich nicht nur ich mich gefragt. „Dress sustainable & stylish. Don’t buy anything new for an event. Shop your own closet. Be creative!“ hat Projektleiterin Mirjam Smend via Instagram verlauten lassen. Wer mich in den letzten Jahren hier gelesen hat, wer mir auf Instagram folgt kennt Mimi. Sie hat viele Jahre in München als Fashion Journalistin gearbeitet, die nachhaltige Modeplattform GREENSTYLE gegründet und ist eine der Slow Fashion Expertinnen Deutschlands. Die zweite Ausgabe der GREENSTYLE im April 2019 (Messe und Konferenz) war der entscheidende Moment mich mit dem Thema Slow Fashion intensiver zu beschäftigen. In der Folge haben wir einige Veranstaltungen gemeinsam auf die Beine gestellt, Modemessen besucht und verschiedene Formate zusammen moderiert. Mirjam ist das Mastermind hinter dem Munich Fashion Award.
Einige meiner Highlights möchte ich hier mit euch teilen:
Am lebendigsten in Erinnerung geblieben ist mir die Ökonomin Lisa Lang, sie pendelt zwischen Belgien, Deutschland und Schweden. Ein Feuerwerk an Wissen und Begeisterung für das Thema. 2018 war sie u.a. unter Forbes Europe’s Top 50 Women in Tech gelistet, sie selbst bezeichnet sich als „Networker, Problem Solver, Whip-Cracker, Maker and Doer”. Lisa führte uns gekonnt durch die globalen und europäischen (Green Deal)-Regularien, legte uns die European Environment Agency als Datenfundgrube ans Herz und plädierte u.a. für lokale Zyklen, also den Aufbau lokaler Ecosystemen. Etwas, das ich immer wieder ins Spiel bringe, vor allem wenn es um Secondhand geht. Rein in die Tonne mit den Fetzen und aus dem Sinn ist keine Lösung. Wir brauchen lokale Kreisläufe für unsere abgelegten Kleidungsstücke. Nach wie vor landet bei uns in Südtirol sehr viel im Hausmüll, einiges in den Recyclinghöfen, bei den Kleiderkammern – die Caritas sammelt seit kurzem nicht mehr – und viel geht immer noch ins Ausland zu großen Textilverwertern, die wiederum den Großteil in den Globalen Süden schicken. Mit all den sozialen und ökologischen Konsequenzen. Lisa Lang steht ganz oben auf der Einladungs-Liste für Fashion For Future Bolzano 26.
Mouhannad Al-Sayegh, Creative Technologist am London College of Fashion stellte seine neue virtuelle Präsentationsplattform Flair Fashion vor, „ein Marktplatz für Modeabsolventen und die nächste Generation von Designern mit dem Schwerpunkt auf Brand Storytelling”. Flair soll Kund*innen dabei unterstützen, aufstrebende und innovative Marken zu entdecken, mit ihnen in Kontakt zu treten und direkt online bei ihnen einzukaufen.
Fashion-Innovatorin und Designerin Maria Intscher Owrang hat mit Co-Founder Phil Cohen Simplifyber, ein neues Herstellungsverfahren entwickelt, bei dem biologisch abbaubare und abfallfreie Stoffe verwendet werden, um nachhaltige Kleidung zu produzieren. Und zwar in einem Labor, nicht in einer Fabrik.
Jury und Advisory Board des MFA waren klug besetzt, mit dabei u.a.: die ehemalige Chefredakteurin der deutschen Vogue Christiane Arp, die wohl berühmteste Trendforscherin der Welt Lideweij Edelkoort, Highsnobiety Creative Director Herbert Hofmann, Designer und Researcher Troy Nachtigall, Designerin und Aktivistin Louise Xin und Fashion Tech Entrepreneur Lisa Morales-Hellebo. Die Expertinnen waren dann auch die Main Player bei der Konferenz.
Bei den Preisträgern möchte ich auch noch Sebastian Thies nennen, er entstammt einer Münchner Schuh-Unternehmerfamilie. Thies produziert in sechster Generation so nachhaltig wie möglich, entwickelt wird in Deutschland und produziert unter fairen Bedingungen in Spanien. Sebastian hat darüber hinaus seine eigene innovative High End Schuhmarke Nat-2 gegründet. Nat-2 macht Schuhe aus Kaffeesatz, Heu, Mais, Kork, Pilzen, Ochsenblut, Fischleder, Blumen, Cannabis, rotem Pfeffer, Moos und vielem mehr. Sehr cool.
Das sind nur einige Themen und Leute. Wirklich spannend fand ich, was alles möglich ist, wenn verantwortungsvolles Design und innovative (Tech-) Lösungen zusammenfinden. Und wieder einmal wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, guten Leuten zuzuhören, sich zu treffen, auszutauschen, neues zu lernen und sich dabei auch gut zu unterhalten. Der Munich Fashion Award hat all das geboten. Thanx.
Und das wars auch schon für heute, danke fürs Lesen!
Susanne
Post scriptum: In jedem Newsletter gibt es auch einen Lese-, Hör- oder Seh-Tipp. Heute die Radiosendung, die ich im März mit meinem Vater aufgenommen habe. Es geht um die Entstehung von Wissenschaft im antiken Griechenland. Wusstet ihr, dass die Anfänge des wissenschaftlichen Denkens im Handwerksbereich lagen? Praktisches Wissen, Wissen, das in einem langen Erfahrungsprozess erworben wurde, ist zur Basis der Wissenschaftsentwicklung geworden. Hab bereits viel Feedback dazu bekommen.
Pps.: Danke Paula Raché für die Logogestaltung 🩷💙🩷
Wow so viele tolle Designer & stylische Labels! Noch cooler zu lesen wie viele tolle Menschen daran arbeiten Mode in bessere Bahnen zu lenken!
<3