Ein Ausflug nach Prato
Prato ist seit Jahrhunderten die wichtigste Textilstadt Italiens. Bis in die Antike soll die textile Tradition reichen. Die Stadt in der Toskana war vor allem für die Produktion edler Stoffe bekannt. Die werden auch heute noch hergestellt, allerdings nur mehr wenige. Die Verlagerung großer Teile der Textilproduktion in den Globalen Süden, die mit den Freihandelsabkommen der 1990er Jahren rasant voranschritt, ist an der italienischen Textilindustrie ebenso wenig vorbeigegangen, wie in anderen Ländern.
Luxusmarken wie Prada, Gucci, Armani und Burberry lassen, so lese ich, einige ihrer Produkte in Prato fertigen. Die Stadt hat sich auch einen Namen gemacht als wichtiger und innovativer Textilrecycler. Aber meist hören wir von Prato als Produktionsstandort von Billigstmode. Heute wird hier vor allem Fast Fashion hergestellt, und die ist fast ausschließlich in chinesischer Hand. In Prato gibt’s die größte Chinatown Italiens.
Im Mai hatte ich die Gelegenheit meinen Fashion For Future Kollegen Aart van Bezooijen und seine Student*innengruppe vom Masterstudienlehrgang Eco-Social Design der Uni Bozen auf einen Ausflug nach Prato zu begleiten. Wir wollten uns einige herausragende Textilprojekte anschauen.
Zu Fuß unterwegs in den Außenbezirken Pratos sieht man viel Interessantes. Zum Beispiel riesige Lager- und Produktionshallen, alle in irgendeiner Form mit Textilindustrie beschäftigt. Ab und zu gelingt auch ein Blick durch ein offenes Fenster in einen Raum, in dem genäht wird. Ob diese chinesischen Arbeiter*innen hier legal arbeiten? Die Uhrzeiten jedenfalls sind eher ungewöhnlich. Den Chinesen gehe es vor allem darum, auf ihre Ware „Made in Italy” schreiben zu können, höre ich immer wieder. Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Sparta, Griechenland. Entlang einer großen Straße reihte sich ein China Fashion Shop an den anderen. Ich war neugierig und hab mir zwei angeschaut. Die Ware war schauerlich, Billigstmode aus Polyester oder Mischgewebe, einiges ist bereits am Hänger auseinandergefallen. Jedoch: alles „Made in Italy“. Jetzt muss man sich um „Made in Italy“ keine Illusionen machen, aber da war ich wirklich schockiert.
Immer wieder macht Prato Schlagzeilen, weil immer wieder mal ein Sweatshop ausgehoben wird. Allerdings nicht nur in Prato, auch in der Gegend um Mailand kommt das vor. Zuletzt wurde Loro Piana, Italiens wohl prestigeträchtigstes Luxuslabel, unter staatliche Aufsicht gestellt. Mehr dazu hier.
Aber schauen wir uns einige gute Realitäten an. Wir haben einen Textilrecycler besucht und konnten dort einige Schritte des Prozesses miterleben. Das Familienunternehmen Alberto Gori produziert recycelte Kaschmirfasern und ist stolz auf seine zirkuläre Produktion. „Wir haben die alte Kunst der toskanischen Cenciaioli wiederbelebt“, erzählte uns eine Mitarbeiterin. Cenciaioli waren toskanische Lumpen-Wanderhändler.






Das italienische Vorzeige-Label Rifò macht sehr schöne Basic-Mode aus natürlichen, recycelten und recycelbaren Materialien. Ich verfolge ihre Arbeit schon seit Jahren. Rifò produziert das meiste on demand, achtet auf Abfallvermeidung und produziert innerhalb von 30 km. Niccolò Cipriani hat das nachhaltige Label 2017 gegründet, „um der Überproduktion und dem Konsum in der Bekleidungsindustrie entgegenzuwirken.“ Inspiriert habe ihn dabei die Tradition der Textilregeneration in seiner Heimatstadt Prato, sagt er.



Lottozero zu besuchen stand schon lange auf meiner Agenda. Zwei Südtirolerinnen, die Schwestern Arianna und Tessa Moroder, haben dieses ambitionierte Textilprojekt Ende 2016 gegründet. Wir haben einen Swap Abend besucht, eine Führung bekommen und einen Textil-Workshop mitgemacht. Lottozero versteht sich als Zentrum für textiles Design, Kunst und Kultur. Die verschiedenen Aktivitäten wie Co-Working, Design-Studio, Künstleraufenthalte, Ausstellungen und ein reges Community-Programm verknüpfen den Ort mit der internationalen Textil-Szene.
Das Lottozero Lab ist bestens ausgerüstet. Wir konnten verschiedenste Techniken ausprobieren und das ein oder andere textile Stück herstellen.






Eine Bemerkung noch zu chinesischer Produktion in Italien: Christiano Berto von 1StPatNr ( hier habe ich über das Label geschrieben) sagte mir, dass viele Arbeiten von italienischen Arbeiter*innen gar nicht mehr gemacht werden, auch nicht gemacht werden wollen, und dass es vor allem die chinesischen Arbeiter*innen sind, die die Textilproduktion in Italien am Laufen halten und zum Teil auch weiterführen, was sonst verloren gehen würde. Auch das sollte ab und an zur Sprache kommen.

Da leider keine Zeit mehr war, das prestigeträchtige Textilmuseum zu besuchen, werde ich auf jeden Fall nach Prato zurückkommen.
Alles Beste, bis nächste Woche
Susanne
Wer mehr über das italienisch-chinesische Zusammenleben in Prato erfahren möchte, schaue sich diese sehr interessante Arte Dokumentation an.
Und hier noch einige Artikel von mir auf franzmagazine rund um das Thema „Textile Produktion” in Italien.





